België 2.0

Wir haben noch 3 weitere, schöne Tage am Veersemeer, dort im Hafen Kamperland, verbracht. Wir mussten dringend die Batterien aufladen und brauchten frische Lebensmittel. Ein unerwartet schöner Hafen, völlig unspektakulär, aber gerade das macht den Reiz aus. Ein Hafenmeister, wie man ihn sich wünscht, jede Menge deutsche Dauerlieger (die meisten schon im Rentenalter und vermutlich seit ihrer Kindheit am Veersemeer) und im Ort ein nettes thailändisches (tatsächlich authentisch thailändisch) Restaurant. Wir fahren mit geliehenen Hafen-Fahrrädern ein weiteres Mal an die Nordsee und mit der Fähre nach Veere. Veere ist ein hübscher und angenehmer Ort. Wir erklimmen in der „grote Keerke“
-tatsächlich eine viel zu große Kirche für diesen kleinen Ort- die 550 Stufen in den Turm, um die schöne Aussicht zu genießen. Wir sehen uns die hübsche und gepflegte historische Stadt an. Das war es dann.

Ein wenig kann ich die deutschen Dauerlieger in Kamperland verstehen, man hat hier seine Ruhe, kann auf der Bank im Hafen sitzen, miteinander über die wichtigen und weniger wichtigen Dinge im Leben reden. Der Sprache nach kommen sie aus dem Ruhrgebiet, also gesellige Zeitgenossen, die genau diese Atmosphäre suchen und genießen. Ich denke, wir werden nochmal wieder kommen.

Nicht, dass wir uns nun auf unserer Reise in Belgien schockverliebt hätten, aber es ist wieder richtig schlechtes Wetter (Regen, Bedeckt, Starkwind) angesagt. Also erscheint es uns sinnvoll, eine weitere Stadt anzusehen, da bietet sich Antwerpen an. Nun ist es seglerisch nicht ganz einfach Antwerpen zu erreichen. Wir segeln am 30.06. von Kamperland, durchs wunderschöne Veersemeer und ein kleines Stück durch die Osterschelde bis Wemeldingen. Ein wirklich schöner Down-Wind-Kurs, immer durchs Fahrwasser nur unter Genua läuft Ulysses immer zwischen 3,5 und 5 Knoten. Das hat viel Spaß gemacht. Im Hafen von Wemeldingen verbringen wir die Nacht und brechen am nächsten Morgen um 5 Uhr auf. Der Grund: wir müssen den „Kanal door Zuid Beveland“ mit 2 Klappbrücken und am Ende des Kanals eine Schleuse so schaffen, dass wir bis spätestens 7.30 Uhr in der Westerschelde sind, damit wir dort den Flutstrom bis nach Antwerpen nutzen können. Der Flutstrom erreicht hier bis zu 4 Knoten, also niemals gegen den Strom fahren, immer mit dem Strom. Schon bei der Einfahrt in die Westerschelde zieht der Strom uns sofort mit und der starke Berufsschiffverkehr, der Richtung Antwerpen läuft, ist nicht zu unterschätzen. Wir laufen wieder unter Genua die gesamte Strecke bis nach Antwerpen, es erfordert viel Aufmerksamkeit und exakte Navigation, aber es macht irgendwie auch Spaß – fühlt sich an wie mit einem Rennrad auf einer stark belasteten deutschen Autobahn zu fahren. Leider ist die gesamte Strecke in diesem Bereich der Westerscheld landschaftlich überhaupt nicht reizvoll. Die Ufer der Westerschelde rechts und links werden dominiert von Industrie, Hafenanlagen, Gewerbebetriebe und einem Atomkraftwerk. Wir kennen keine weitere Anfahrt einer „Großstadt“ von See kommend, die so hässlich und unattraktiv ist – es sei denn man mag Industrie. Erst kurz vor dem Zentrum Antwerpens wechselt diese industriell geprägte Uferansicht in eine städtische Uferansicht.

An der Brücke zu dem von uns ausgewählten Hafen in der Innenstadt wird uns am Funk erklärt, dass die Brücke vor dem Hafenbecken für die kommenden vier Tage nicht geöffnet werden kann, da sie defekt sei. Na Klasse, der von uns ausgesuchte Hafen kann also nicht angelaufen werden. Wir mögen bitte gegenüber im „Yachthaven Linkeoever“ per Funk fragen. Auch hier merken wir den Flutstrom, in die eine Richtung läuft Ulysses 5 Knoten, in die andere Richtung 1 Knoten, bei konstanter und identischer Motordrehzahl. Der Hafenmeister vom Linkeoever-Hafen erklärt uns, dass er einen Platz für uns frei hat, allerdings die Schleuse erst in 30 Minuten öffnen wird. Also laufen wir mal mit 5 Knoten in die eine und dann mit 1 Knoten in die andere Richtung. Plötzlich werden wir dann am Funk aufgerufen einzulaufen, natürlich drängelt sich noch ein kleineres Boot, dass als zweites aufgerufen wurde vor, aber wir sind froh überhaupt einen Platz bekommen zu haben. Der Hafen selbst, ist ein völlig untypischer Sportboothafen. Hier liegen kaum Sportboote, meist wird der Hafen von Hausbooten oder Leuten, die auf ihren Booten dauerhaft leben (vermutlich, weil die Wohnungsmieten in Antwerpen sehr hoch sind) genutzt. Er wirkt etwas „runter“, aber durchaus gemütlich und charmant. Er bietet einen schönen Blick auf das gegenüberliegende Stadtzentrum. Ich mag solche Häfen, sie verbreiten eine angenehme Stimmung. Der Hafen erinnert mich an den Wasa-Hafen in Stockholm oder den Margarethenholm-Hafen in Kopenhagen. Der Hafenmeister ist total entspannt, erklärt alles Notwendige, sein Büro ist gleichzeitig das Schleusenwärterhäuschen, und auch hier wirkt alles aus der Zeit gefallen, aber es funktioniert. Die meisten Boote sehen aus, als wären sie schon lange nicht mehr auf See gewesen, es sind eben Wohnboote. Auf einigen Booten wird gebastelt, vielleicht gehen sie dann irgendwann wieder auf See, oder bleiben die Eigner doch im Hafen hängen?

Um in das gegenüberliegende Stadtzentrum zu gelangen, kann man mit der kostenlosen Fähre übersetzen, man erreicht die Fähre in 15 Minuten zu Fuß und die Überfahrt dauert 5 Minuten. Man kommt dann Mitten im Zentrum an und kann in fußläufiger Zeit die Innenstadt und viele Sehenswürdigkeiten erreichen. Reizvoller ist es jedoch den Fußgängertunnel zu nehmen. Es handelt sich um einen historischen Tunnel, aus den 1930er-Jahren, der über eine Rolltreppe aus Holz am Ein- bzw. Ausgang zu erreichen ist. Alles wird im möglichst ursprünglichen Zustand belassen, so fühlt man sich tatsächlich wie vor fast 100 Jahren.

Antwerpen selbst ist sehenswert, der Bahnhof gehört zu den schönsten weltweit. Die Altstadt ist ganz hübsch. Wir verbringen 3 Tage in Antwerpen, dann ist unser Bedarf an Belgien tatsächlich erschöpft und gesättigt.

Bei der Rückfahrt auf der Westerschelde werden wir vom Berufsschifffahrtsverkehr fast erschlagen. Zum Glück gibt es eine Revierzentrale, die alles gut überwacht und regelt. Wir hören mehrfach, dass die Berufsschiffe aufgefordert werden „the Sportvessel Ulysses“ passieren zu lassen und erst dann in die Schelde einzufahren. Das gibt uns dann den Mut an den entsprechenden Stellen auf der Schelde den vorausfahrenden Berufsschiffen hinterher zu fahren und den in den zulaufenden Hafenausfahrten wartenden Berufsschiffen sozusagen vor den Bug zu fahren. Ohne diese Anweisung der Revierzentrale hätten wir uns das niemals getraut.

Endgültiges Fazit zu Belgien:  Man kann Belgien besuchen und einige Tage dort verbringen, man kann die belgische Küste aber auch an einem ¾-Tag absegeln.

One Reply to “België 2.0”

  1. Moin Ulysses, verlassen Borkum mit Kurs Ost. Sagt das AIS, von Euch kommt ja nicht mehr viel im Blog😜. Gruß aus Hörnum und Handbreit😉.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Please reload

Please Wait